Manchmal ist in Angeboten der Erlebnispädagogik wirklich das drin, was drauf steht… gelegentlich allerdings anders als geplant oder gedacht. So kann eine Ferientour tatsächlich zur „Hardcore- Erlebnispädagogik“ werden, wenn auch teilweise scheinbar stärker für die beteiligten PädagogInnen als für die TeilnehmerInnen.
Tatort: Die Düsseldorfer Alpenvereinshütte in Blens-Abenden, mitten zwischen Buntsandsteinfelsen, Wald und Fluss.
Hier galt es, eine Gruppe zusammen zu bringen und zu halten, die zu Beginn rapide auseinander zu fallen drohte.
Die Zusammensetzung: 6 dreizehn- und vierzehnjährige Jugendliche aus verschiedenen Wohngruppen, die dort schon seit Jahren leben, davon 3 unbegleitete Flüchtlinge, 1 ehemaliger Bewohner des roten Hauses in der „Nachbetreuung“ und 4 Mädchen aus der Wohn- und Orientierungsgruppe im Alter von 14 bis 17 Jahren.
Geplant und ausgeschrieben war: Eine Tour für Jugendliche, die gerne viel und lang wandern und Fahrrad fahren, klettern und paddeln, sich in der Natur aufhalten und kein Problem damit haben, gemeinsam einzukaufen, zu kochen und zu spülen.
Bis es aber so weit kam und die Gruppe gemeinsam die o.g. Aktivitäten durchführte, dauerte es einige Tage und erforderte einiges an Einsatz und vor allem Geduld der beteiligten PädagogInnen.
Die erste Katastrophe, die die Welt einiger Jugendlicher erschütterte – oder besser gesagt komplett zerstörte ! – war die Tatsache, dass es vor Ort weder WLan noch ein vernünftiges Telefonnetz gab. Völlig verzweifelte Teilnehmerinnen versuchten uns klar zu machen, warum man nicht mal einen Tag oder eine Stunde ohne Kontakt zu Freundinnen, Klassenkameradinnen, Brüdern, Eltern und entfernten Bekannten sein könne.
Kaum war der Puls wieder unter 100, folgte der nächste Schock: Die Dusche war nicht abschließbar, sondern befand sich im allgemeinen (Mädchen- bzw. Jungen-) Waschraum. Ungeduscht kann man natürlich auch nicht mehr als einen Tag in den Ferien bleiben.
Vor allem, weil die Jugendlichen schon am selben Tag feststellen mussten, dass selbst bei Fahrradtouren von max. 30 Minuten Schweißtropfen und damit Gestank (!!!) drohen.
Das gleiche gilt auch für Wanderungen. Dort gibt es allerdings noch ein viel größeres Problem: Im Wald ist es relativ ruhig. Also muss sofort etwas gefunden werden, was die Stille nachhaltig zerstört – gut, das Smartphones auch ohne WLan laute Musik produzieren, so lange der Akku hält. Und falls eine Pädagogin, deren Geduld auf diese Weise extrem strapaziert wird, etwas von Stille und Naturschutz erzählt, kann man ja immer noch selber schreien und Fußballlieder grölen, bis die Stimme versagt (was sie allerdings nie tut – die Angst vor der Ruhe ist stärker, was die Ausdauer sehr beflügelt).
Da aber auch am zweiten und den darauf folgenden Tagen niemand das Feriendomizil verließ und auch nur eine einzige Wanderung boykottiert wurde, fügte sich von Tag zu Tag die Gruppe immer mehr zusammen. Das Duschproblem wurde durch stundenlange „Sitzwachen“ vor der Tür des Waschraums gelöst (was als Nebenwirkung nur nach sich zog, dass die Erwachsenen erst gegen Mitternacht oder sehr früh morgens an die Reihe kamen).
Das Kommunikationsproblem löste sich dadurch, dass die Mädchen zu jeder Tages- und Nachtzeit auf der Straße sitzend ein Nachbar-WLan nutzen konnten (zumindest so lange, bis die Nachbarn sich dezent beschwerten). Bei den sommerlichen Temperaturen stellte das kein größeres Problem dar.
Plötzlich gab es außerdem gemeinsame Spiele von Jungen und Mädchen, Älteren und Jüngeren, gehandicapten und nicht gehandicapten Kids, es wurde gemeinsam gekocht und gegrillt, frühere Wortführerinnen gegen Bewegung in der Natur gingen freiwillig wandern, obwohl sie zuhause hätten „chillen“ können, die Untergruppen mischten sich fleißig und plötzlich hatten alle Spaß!
Auf diese Weise „rundete“ sich die Aktion auf den letzten Metern – und ich bin sicher, dass nicht nur wir PädagogInnen einiges „mitnehmen“ werden!
In diesem Sinn: Bis zum nächsten Jahr!
Anne Konnertz
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